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PASOLINICODE02112011

a video/installation by Ludwig Wüst

"Der beste Film, den ich in Hof gesehen habe."
Bert Rebhandl, in Cargo anlässlich der 46. Int. Hofer Filmtage, 29. Oktober 2012, Berlin

"Ludwig Wüsts halbdokumentarische Videoarbeit "Pasolinicode02112011", die vor wenigen Tagen erste bei der Grazer Diagonale gezeigt wurde, wurde für die Wiener Ausstellung um ein wesentliches sinnliches Element erweitert. Um Erde nämlich, die Wüst ("Koma", "Tape End") vom Schauplatz seines Films, dem Todesort des 1975 ermordeten italienischen Regisseurs Pier Paolo Pasolini im römischen Ostia, mitgebracht (und durch den Zoll geschmuggelt) hat. Der Zuschauer steht nun also, während er die 16-minütige Arbeit verfolgt, eine mit dem fabelhaften Schauspieler Nenad Smigoc besetzte Nachtreise an Pasolinis letzten Lebensraum, tatsächlich auf Erdreich, das einst auch Pasolini betreten haben mag. Die Aura teilt sich mit. "
Stefan Grissemann, Profil, 2. April 2012, Wien

"Eine kurze Arbeit zu Pasolinis Tod und wie so oft bei Ludwig Wüst scheint die Versuchsanordnung simpel: Jahre nach dem Mord, dem Geständnis und dem späteren Widerruf nimmt ein Mann die Spur auf, begleitet von einem Fremden, der Aufklärung verspricht. Ein Film als Suche. Den Ort des Verbrechens, ein eingezäuntes Feld in Ostia, durchstreifen sie in pechschwarzer Nacht, der eine hinter der Kamera während der andere, ebenso wie kleine Ausschnitte der Topographie, immer wieder im Licht einer Taschenlampe sichtbar wird. In den Monologen des Fremden mischen sich Zitate und Erinnerungen, Behauptungen und der Mythos Pasolinis, der nicht nur durch sein Werk sondern in vielleicht größerem Maße noch durch die Umstände seine Todes genährt wird.

Verbunden mit einer stark eingeschränkten visuellen Wahrnehmung und der beinahe greifbar scheinenden Dunkelheit entwickelt sich ein Sog, der einen immer weiter in diese Suche hineinzieht, und eine geradezu körperliche Erfahrung von seltsamer Eindringlichkeit. Der Film mag um den Mythos Pasolini kreisen, doch als Kern schält sich die Frage nach Authentizität und Glaubwürdigkeit heraus – sowohl des „Informanten“ wie auch des Films an sich, der zum Ausstellungsstück eines Zweifels wird. Die Erzählung zersplittert und taucht immer wieder ins Dunkel ab, man bleibt mit Fragmenten zurück.

Am Ende sind sowohl das Rätsel um den Tod Pasolinis wie auch der Mythos unangetastet, jede Erklärung wird verweigert. Der Code wird nicht entschlüsselt, stattdessen entfaltet sich ein vielschichtiger Kommentar zur Mythenbildung und zum Filmemachen selbst. Die Intensität dieser kurzen Arbeit entsteht auch daraus, dass sie diese Mechanismen benutzt, sie ausstellt, sich Ihnen am Ende aber doch ergibt. Nicht die Antwort ist von Interesse, sondern die Suche und die dadurch mögliche (filmische) Erfahrung."
Barbara Pichler, Diagonale-Direktorin, März 2012, Graz


"Pasolini’s death: A murderer. A confession. Years later: a revocation. The legend lives on, and all questions seem to be open.
A stranger entices with explosive details about the murder. At the Ostia soccer field, the scene of the alleged crime, neither the geography nor the sequence of events unfold. The cone of light is too weak, and the stranger is not willing to disclose the truth. Ultimately, nothing is determined. The legend lives on."
Aus dem Programm der Hofer Filmtage 2012, Hof

""Raumerlebnis" mit Erde aus Ostia."
Berichte auf derstandard.at, und kurier.at, 29. März 2012, Wien

"... [Erinnert] an Neil Burgers Doku-Thriller “Interview with the Assassin"."
hhufnagelnstuff, März 2012, Wien

"Interesse geweckt hat auch Pasolinicode 02112011, in dem Ludwig Wust skizzenhaft den Ort und die Umstände des Mordes des bekannten italienischen Regisseurs auf dem kleinen Fußballfeld in Ostia rekonstruiert. In mondloser Nacht, mit kreisenden Bewegungen eines Autos, nur im Schein einer Taschenlampe sucht er die Stelle, an die die Mörder den ermordeten Körper gebracht haben. Mit der Tragik eines nur fragmentarisch aufgedeckten Schicksals kommen parallel im Marmor gemeißelte lyrische Zitate aus Werken des Autors zutage."
"S tragikou iba fragmentárne rozokrytého osudu sa súbežne objavujú lyrické citáty z autorových diel vytesané do mramoru, ale aj poznanie, že „Smrť nie je v neschopnosti komunikovať, ale porozumieť.“"
Viliam Jablonický, filmpress.sk, März 2012, Graz/Bratislava

"... Es ist erst die genaue Information, die einem Ort jenen kleinen Schrecken eingibt. Dieses Fussballfeld."
Claudia Siefen, Schnitt, März 2012, Graz/Köln

Fotos Diagonale Publikumsgespräch

©Diagonale/Daniel Hermes

Nacht über der Vorstadt. Ein Auto hält an und nimmt einen Fahrgast mit. Nach zwei, drei Sätzen wird angehalten - das Ziel ist erreicht: das Fußballfeld von Ostia. Pier Paolo Pasolini wurde dort ermordet. Oder war es anderswo? Das Gittertor wird geöffnet, die Tat aber bleibt in sich geschlossen. Das Feld wird in Richtung Norden, Süden, Westen, Osten begangen: eine Durchmessung des Raumes, eine flüchtige Bewegung nur, die Skizze nur einer Fläche, denn nur der Schein einer Taschenlampe erleuchtet die Monumente, die Überreste von Pasolinis Lyrik tragen. Der unheimliche Gast liest die Verse, deren Sinn ihm verschlossen bleiben; seine Lampe beleuchtet das Mahnmal, das an einen Vogel erinnern soll – aber sieht es nicht aus wie ein Autoreifen, wie jener, von dem Pasolini überrollt wurde? Was kann der unheimliche Gast, der behauptet, die Wahrheit über das Verbrechen zu wissen, erzählen? Die blutgetränkte Erde von Ostia wüsste alle Wahrheit, die der Fremde sich so hartnäckig weigert, preiszugeben. Oder weiß er am Ende gar nichts? Im Schein einer Laterne la terra di Pasolini, die Ostia heißt, haptisch erfahrbar: der Zuseher der Installation tritt in jene Erde, an der das Verbrechen geschah – oder doch nicht? Geschah es hier oder ganz woanders?
Ostia – Hostie, das Opfer.
Zu nächtlicher Stunde, zur Tatzeit die Begehung des Ortes, Anfang November, um Mitternacht. Die Taschenlampe ist zu schwach, um den Raum zu erleuchten, der Fremde ist zu gewitzt, um das Verbrechen deutlich hervortreten zu lassen. Das Gesicht des Mordes bleibt im Dunkeln, der Pasolini-Code wird nie geknackt werden. Genauso heimlich wie der Mord an Pasolini entstand dieser Film, buchstäblich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Aber auch der unheimliche Gast bringt kein Licht in die Sache Pasolini: die Scheinwerfer, die das Monument für Pasolini beleuchten sollten, waren mit Solarzellen ausgerüstet, die längst gestohlen wurden. Verstohlen bietet sich der Raum dar, die Lampe und der Mond reißen Fetzen aus der Dunkelheit, aber der Fremde will sich nicht deutlich äußern zum Tod Pasolinis, will, so erzählt er, nicht erneut hineingerissen werden in den Strudel aus Mord und Verbrechen. Schließlich ein Aufbruch: Nichts ist entschieden, fast nichts wurde erfahren, das Gittertor wird wieder geschlossen.


Night above the suburbs. A car stops and takes along a passenger. Only two, three sentences later the car stops – the target is reached: the soccer field of Ostia. Pier Paolo Pasolini was murdered here. Or was it somewhere else? The gate is opened, the Pasolini file stays closed. The field is crossed in all directions, north, south, east, west: a walk through a space, a fleeting movement, the sketch of an area, and only the glow of a flashlight illuminates the monuments, which carry remains of Pasolini's lyric. The uncanny guest reads verses whose meaning stays secretive for him; his lamp lights the memorial that should resemble a bird – doesn’t it actually look like a car tyre, just like the one Pasolini was overrun with? What can the uncanny guest, claiming to know the truth, tell? The blood-soaked earth of Ostia would know all truth that the stranger is hesitant to tell. Or doesn't he know anything? In the glow of a lamp la terra di Pasolini, named is Ostia, gets tangible: the visitor of the installation steps into the soil that the crime was committed on – or wasn’t it? Did it happen here or somewhere else?
Ostia – host, the sacrifice.
Early November, at nocturnal hour, at the time of the murder, an inspection of the location. The lamp is too weak to illuminate the area, the stranger is too cunning to speak frankly about the crime. The face of the murderer remains in the dark, the Pasolini Code will never be cracked. Just as secret as the murder of Pasolini, this movie emerged, literally, at dead of night. But not even the uncanny guest brings illumination into the Pasolini case: the flashlights which should shine on the monument for Pasolini were equipped with solar cells, they have long since been stolen. Clandestinely the area is showcased, the lamp and the moon rip rags from the surrounding darkness, but the stranger won’t get too obvious about the crime, doesn’t, so he tells, want to be torn into the maelstrom of murder and crime. At last a departure: Nothing is settled, almost nothing was learned, the gate is closed again.

Otmar Schöberl
Translation Urs Riegl